Wer hat sich noch nicht über die nervigen Kopier-Hinweise beim Starten einer DVD geärgert, die mit vielen DVD-Player nicht übersprungen werden können? Oder darüber, dass in den USA gekaufte DVDs bei Freunden hier manchmal nicht abgespielt werden können? Wer freut sich im Urlaub über das SIM-Lock seines Mobiltelefons? Heute wurde ich von Dradio Wissen zu diesen "Anti-Features", oder im Deutschen "Anti-Funktionen", interviewt. Weil es bei dem Interview (Audio) etwas schnell ging, hier eine kurze Zusammenfassung (vermutlich hatte ich noch zu viel Schwarztee im Kreislauf ;) ):
Eine Anti-Funktion ist eine Funktion, die vorsätzlich integeriert wurde, der Anwender jedoch nicht haben will. Es geht also weder um Fehler in einer Software, noch um fehlende Funktionen, sondern um eine bewußt vom Hersteller hinzugefügte Einschränkung oder Nötigung.
Wo kommen Anti-Funktionen vor und warum fügen Unternehmen diese Anti-Funktionen hinzu?
Ein Grund ist vorherige Intransparenz gegenüber dem Anwender. Die Kosten werden vor dem Anwender versteckt und später muss das System aufrecht erhalten werden. Beispiele dafür sind, wie gleich beschrieben, Drucker, Mobiltelefone, Laptops oder auch DVDs.
Bei Druckerpatronen versuchen Druckerhersteller mit Hilfe von Software, die Benutzung von Druckerpatronen anderer Hersteller zu verhindern. Am Anfang wurden die Drucker billig verkauft, um dann auf lange Frist das Geld durch den Verkauf von Patronen zu verdienen. Sobald kompatible Patronen anderer Hersteller beginnen aufzutauchen, hört das Geschäftsmodell auf zu funktionieren. Nun hat der Hersteller entweder die Möglichkeit, den Kunden zu erklären, warum er für einen neuen Drucker viel mehr bezahlen soll, oder zu verhindern, dass die Patronen anderer Hersteller mit dem Drucker funktionieren. Xerox, HP, Lexmark und andere gingen dann den zweiten Weg und begannen, Authentifizierungs-Mechanismen für Patronen in die Drucker einzufügen .
Bei Mobiltelefonen haben Mobilfunkunternehmen zunächst stark subventionierte Mobiltelefone verteilt, um die Verbreitung zu fördern. Diese Kosten wurden für lange Zeit über die Tarife wieder reingeholt. Daher verhindern die Mobilfunkunternehmen, dass der Kunde mit diesem Telefon mit den SIM-Karten anderer Anbieter telefonieren kann. Seitdem wir in Deutschland diese "billigen" Telefone gewohnt sind, ist es schwer geworden, das Nutzerverhalten umzustellen. Wer hat schon Lust, auf einmal 1000 EUR für ein neues Mobiltelefon auszugeben?
Manchmal bekommen Laptop-Hersteller Geld von anderen Unternehmen, um Werbung einzubauen. Das schönste Beispiel dazu finde ich Sony Fresh Start. Hier bezahlt man 50\$, um einen Laptop zu bekommen, auf dem keine vorinstallierten "Test-Programme" sind. Will man dies nicht bezahlen, ist das System wegen der gesamten Software langsam und der Anwender müsste alles händisch deinstallieren.
Ein weiterer Grund ist, dass mit Anti-Funkionen der Preis für ein teureres Modell gerechtfertigt werden kann. Nachdem GNU/Linux am Anfang auf Netbooks sehr beliebt war, reagierte Microsoft mit einer "Windows XP Starter"-Version. Bei dieser Version können nur drei Anwendungen gleichzeitig ausgeführt werden und es gibt eine Arbeitsspeicherbeschränkung. So eine Funktion einzubauen, stellt eine zusätzliche Komplexität dar und ist daher kostenintensiv. Das Geld dafür wurde aber ausgegeben, weil es sonst schwer wäre zu erklären, warum ein Windows XP für Netbooks billiger ist, als eines für den PC. Etwas ausführlicher ist das gleiche Prinzip für Windows NT Workstation und Windows NT Server erklärt. So ähnlich verhält sich das bei Digitalkameras mit dem RAW-Format. Jede Kamera muss intern die Verarbeitung in RAW beherrschen, weil daraus das JPG erstellt wird, aber nur die teureren Geräte erlauben es dem Anwender, die Bilder als RAW zu speichern.
Bei Freier Software ist es für Unternehmen unlukrativ, Anti-Funktionen einzubauen. Jeder Anwender hat die Freiheit, die Software zu verändern und diese Änderungen wieder zu verbreiten. Daher reicht es aus, wenn sich eine Einzelperson die Mühe macht, eine solche Anti-Funtkion zu entfernen und schon können alle Anwender davon profitieren. Bei Freier Software gibt es neue Funktionen entweder, wenn jemand dafür bezahlen will, oder wenn jemand sehr überzeugt davon ist, dass diese Funktion benötigt wird und sie in seiner Freizeit erstellt. Damit ist Freie Software ehrlicher und transparenter gegenüber den Anwendern.
Zu dem Thema gibt es von Benjamin Mako Hill mehrere Vorträge: z.B. bei der Linux Conf Australia 2010 (Ogg-Theora), oder der FrosCon (Ogg-Theora).