Schon viel ist zur Rückumstellung des Auswärtigen Amts auf unfreie Software vorgefallen: Eine kleine Anfrage der SPD, im Februar 2011 wurden interne Dokumente auf Netzpolitik geleakt, die Grünen stellten eine zweite kleinen Anfrage, viele Menschen haben bei der Auswertung der Antwort der Regierung geholfen was das Thema schließlich auch in eine breitere Öffentlichkeit brachte.
Ich habe mit etwas Abstand dazu einen Kommentar ("Freie Software im Auswärtiges Amt: erst hü, dann hott") für das Commons-Buch geschrieben (siehe unten, verfügbar unter CC-BY-SA).
Der Kommentar ist immer noch aktuell, so wie das Fazit:
Migrationen scheitern, wenn sie nur auf Grund von Kosten- und Sicherheitsaspekten durchgeführt werden. Entscheidungen für oder gegen Freie Software sind nie rein technische, sondern immer politische Entscheidungen. Hat unsere Verwaltung selbst die Kontrolle über ihre Computer, oder bestimmen Dritte, wie die Verwaltung ihre Computer benutzen kann? Es ist eine Frage darüber, wer in unserer Gesellschaft wie viel Macht bekommt. Solche Entscheidungen müssen transparent ablaufen, denn mit ihnen steht und fällt eine Demokratie.
Federico Heinz hat seinen Artikel "Öffentliche Verwaltung braucht freie Software" bereits bei der Heinrich Böll Stiftung veröffentlicht.
Wir können gespannt sein, wie es im Auswärtigen Amt noch weiter gehen wird.
Update 2020-04-18 Anbei der volle Artikel, der vorher nur verlinkt war:
Freie Software im Auswärtiges Amt: erst hü, dann hott
Der Vorgang sollte wohl in aller Stille vor sich gehen. Doch durch Anfragen im Bundestag und geleakte Dokumente kam es Anfang 2011 an die Öffentlichkeit: Das Auswärtige Amt, einst ein Vorzeige-Projekt für den Einsatz von Freier Software in den Bundesministerien, will Desktops und teilweise Server wieder mit unfreier Software betreiben. Dies ist ein Rückschlag für Freie Software in der öffentlichen Verwaltung, dennoch können wir daraus lernen.
Eine erfolgreiche Umstellung auf Freie Software benötigt ein systematisches Vorgehen, ausreichend Ressourcen und politische Rückendeckung. Es ist immer schwer, große Organisationen wie ein Ministerium zu verändern. Beteiligte müssen überzeugt werden, Fachwissen und Geld müssen vorhanden sein und um die Änderung gegenüber internem und externem Druck durchzusetzen, ist politische Rückendeckung erforderlich.
Das Auswärtige Amt hatte in den letzten Jahren zunächst aus Kosten, später aus Sicherheitsgründen, angefangen auf Freie Software umzustellen; plötzlich die Kehrtwende, die - nachdem es damit konfrontiert wurde - das Auswärtige Amt mit fehlenden Funktionen, höheren Kosten und schlechter Benutzbarkeit Freier Software begründete.
Die bisherigen Informationen zeigen jedoch: Mitarbeiter wurden nicht in den Prozess eingebunden, sie wurden nicht über den Sinn der Umstellung informiert und ihnen wurde selbst überlassen, ob sie GNU/Linux oder Microsoft Windows verwenden. Aktualisierungen der Software zur Verbesserung der Benutzbarkeit wurden nicht vorgenommen und statt die technischen Probleme zu lösen wurden 80.000 EUR für Studien ausgegeben. Solche Management-Fehler verursachen bei jeder Umstellung Probleme, egal ob auf unfreie oder auf Freie Software.
Daneben hat die politische Leitung die Umstellung unzureichend unterstützt. Entweder übersah die Leitung die strategischen Vorteile Freier Software, oder sie blieben unberücksichtigt. Das Auswärtige Amt will nun den kurzfristig einfacheren Weg gehen, der jedoch schon mittelfristig zu höheren Kosten und langfristig zu Abhängigkeit und Kontrollverlust führt.
Migrationen scheitern, wenn sie nur auf Grund von kurzfristigen Kosten- und Sicherheitsaspekten durchgeführt werden. Entscheidungen für oder gegen Freie Software sind nie rein technische, sondern immer politische Entscheidungen. Hat unsere Verwaltung selbst die Kontrolle über ihre Computer, oder bestimmen Dritte, wie die Verwaltung ihre Computer benutzen kann? Es ist eine Frage darüber, wer in unserer Gesellschaft wie viel Macht bekommt. Solche Entscheidungen müssen transparent ablaufen, denn mit ihnen steht und fällt eine Demokratie.