Am 13. Mai fand die Sachverständigeranhörung zum derzeigen interfraktionellen Antrag bezüglich Softwarepatenten im Rechtsausschuss des Bundestags statt. Ich war für die FSFE als Sachverständiger eingeladen. Wir haben vorab die schriftliche Stellungnahme unten abgegeben. Bei der Sitzung habe ich erklärt wo Freie Software eingesetzt wird, wie sie entsteht und welche Rolle Patente dabei spielen (Vortrag). Einen interessanten Fall in Deutschland nannte Sachverständiger Stefan Richter in seinem Eingangsstatement (verfügbar unter Der rauchende Colt: Siemens und die Software-Patente".) Nach den Eingangsstatements mussten die Sachverständiger dann Fragen der Abgeordneten beantworten. Die Mehrheit der Sachverständiger sprach sich klar gegen Softwarepatente aus (mehr Informationen zum Ablauf siehe auch auf den Seiten des Deutschen Bundestags.) Das Thema soll nun voher -- vermutlich am 2. Juni -- nochmal im Ausschuss besprochen werden und danach steht das Thema steht für Donnerstag den 6. Juni auf der Tagesordnung des Parlaments.

Des Weiteren wird Jimmy Schulz (FDP) kurzfristig am Samstag dem 25. Juni vorraussichtlich um 16:45 in New York III einen Vortrag zu dem Antrag beim Linuxtag halten.

Hier unsere schriftliche Stellungnahme:

Die derzeitige Vergabepraxis und die Rechtssprechung zu Softwarepatenten des Bundesgerichtshofs erschweren sowohl die Erstellung als auch die Verwendung von Freier Software enorm. Daher befürwortet die Free Software Foundation Europe den Antrag "Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen".

Jeder von uns hat das Werkzeug zum Programmieren Um Software zu schreiben, müssen keine teuren Geräte angeschafft werden. Ein Laptop- oder Desktop-Computer ist fast in jedem privaten Haushalt verfügbar und eine Vielzahl von Entwicklerprogrammen (wie zum Beispiel Texteditoren, Kompiler, Debugger, etc.) für unterschiedliche Anwendungsbereiche sind als Freie Software verfügbar.

Programmierer lernen durch das Lesen von Quellcode Um ein guter Programmierer zu werden, ist es notwendig, viel Quellcode zu lesen und viel Quellcode zu schreiben. Freie Software legt allen mit dem Quellcode offen wie das Programm funktioniert. Dieser Quellcode kann von jedem Unternehmen abgeändert und auf die Bedürfnisse angepasst werden, oder es können mit Hilfe des Quelltexts kompatible Lösungen geschrieben werden. Software-Patentschriften beschreiben Probleme, statt zu zeigen, wie man sie löst. Für die Problemlösung sind Programmierer auf den Quellcode angewiesen. Dieser ist in Patentschriften allerdings nicht enthalten.

Der harte Teil der Softwareentwicklung ist die konkrete Umsetzung Der schwere Teil bei Softwareentwicklung ist nicht die Idee, sondern die konkrete Umsetzung. Beim Schreiben stößt ein Programmierer auf viele unvorhergesehene Probleme. Es dauert lange bis eine Software produktiv eingesetzt werden kann. Vorher müssen eine Vielzahl an Fehlern gefunden und behoben werden. Dabei kann die Behebung eines Fehlers wieder zu neuen Fehlern führen. Eine oft gehörte Antwort unter Programmierern, wenn jemand eine neue Idee vorstellt, ist deshalb "Talk is cheap. Show me the code!".

Urheberrecht ausreichend, da Nachprogrammieren von Software schwer ist Freie-Software-Unternehmen hätten oft gerne gleiche Funktionalitäten, die ein bestimmtes proprietäres Programm enthält. Z.B. eine freie kompatible Implementierung von Microsoft Windows (Monopolstellung im Desktop-Betriebssystem-Bereich), Word, Excel, Outlook. Diese Produkte nachzuprogrammieren ist schwer, da der Quellcode der Programme geheim gehalten wird. Selbst Freien-Software, wie LibreOffice/ApacheOffice (vormals OpenOffice.org), die mit den Dateiformaten von Word und Exel kompatibel sein wollen, fällt es schwer, diesen Teilaspekt der Software nachzuimplementieren. Die Programmierer von Samba, einer Freien Software für Workgroup-Server (Datei- und Druckfreigabe), mussten sehr viel Zeit investieren um kompatibel mit den Microsoft-Windows-Clients zu sein.  Microsoft änderte immer wieder Teile der Software und versteckte die Funktionsweise, so dass die Samba-Entwickler erneut viel Zeit aufwenden mussten, um ihre Software immer wieder anzupassen und eine kompatible Lösung anbieten zu können. Die Information, die Microsoft hatte, war nicht geheim, weil sie wertvoll war, sie war nur wertvoll, weil sie geheim war. Erst nachdem die EU-Wettbewerbskommission eingriff und die Entscheidung fast 10 Jahre später vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde, muss Microsoft Freien-Software-Programmierern Interoperabilitäts-Informationen verfügbar machen.

Selbst wenn der Quellcode verfügbar ist, kann ein Nachprogrammieren zu schwer und zu teuer sein. In der Vergangenheit gab es wiederholt Unternehmen, die sich nicht an Freie-Software-Lizenzen halten wollten. Wäre es einfach, die Software nachzuprogrammieren, dann hätten diese Unternehmen es bereits getan. Doch der Vorteil, eine bereits langjährig entwickelte und getestete Software benutzen zu können, überwiegt oft, sodass die Freie-Software-Lizenz von den Unternehmen eingehalten wird um die Software nicht selbst nachzuimplementieren zu müssen.

Produkte beinhalten Hunderte von Programmen Produkte werden heute immer komplexer und beinhalten mehr Funktionen. Dadurch wächst die Zahl der Software-Programme, die in einem Produkt kombiniert werden. Bei Freier Software können sich Programmierer aus einem großen Baukasten von bereits bestehenden Programmen bedienen. Zum Beispiel beinhaltet die GNU/Linux-Distribution Debian in ihrer stabilen Version derzeit 48609 Software-Pakete. Diese Module sind sofort verfügbar und können schnell in neue Produkte integriert werden. Dadurch, dass ein Produkt meist Hunderte von Programmen enthält, ist es -- auch nach Verbesserung der Suchen nach Patenten -- unmöglich sicherzustellen, dass keine Patente verletzt werden.

Die gleiche Software wird in einer großen Zahl von Produkten verwendet Einzelne Programme sind sehr weit verbreitet. Freie Software ist sofort verfügbar und kann daher einfach in Produkte integriert werden. Sie wird daher in vielen Branchen verwendet: so sind z.B. der Betriebssystemkern Linux, sowie viele freie Bibliotheken in Mobiltelefonen, Wlan-Routern, Fernsehapparaten, Netzwerkfestplatten, Autos, Kühlschränken, Digitalkameras, Flugzeugen, Kaffeemaschinen, Industrierobotern, Anlagensteuerungen, Raketen, sowie in 93\% der TOP 500 Supercomputer und vielen anderen Computern enthalten. Konkurrenten werfen Linux über 260 Verletzungen von Patenten vor, jedoch ohne zu benennen welche Patente diese weit verbreitete Software genau verletzen soll.

Freie Software wird zum Entwickeln von Software (sowohl proprietäre als auch Freie Software) verwendet Freie Software ist das Entwicklerwerkzeug der Software-Unternehmen und hilft Ihnen, sich auf ihr Spezialgebiet zu konzentrieren. Egal ob Freie Software oder proprietäre Software geschrieben wird, für Texteditoren, Kompiler, Versionskontrolle, oder Debugger wird meist Freie Software verwendet.

Durch Offenlegung des Quellcode ist Freie Software stark angreifbar durch Patente Da bei Freier Software der Quellcode verfügbar ist, kann die Funktionsweise besser verstanden werden. Dies macht die Software angreifbarer gegen Patentansprüche Dritter.

Software-Patente vernichten kostet Zeit, die Unternehmen nicht haben Auch wenn Software-Patente vernichtet werden können kostet dies viel Geld und Zeit. Und wenn eines vernichtet ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das nächste bemerkt wird. Allen Unternehmen werden dadurch Ressourcen vom eigentlichen Kerngeschäft entzogen. Für kleinere und mittlere Freie-Software-Unternehmen kann alleine die Androhung einer Patentklage existenzbedrohend wirken, da eventuell über Jahre hinweg Rechtsunsicherheit besteht, beziehungsweise nicht mehr entwickelt werden kann.

Rolle von Patente bei Software-Innovationen zweifelhaft David A. Wheeler hat in einer Studie die wichtigsten Software-Innovationen analysiert. Er kam zu dem Ergebnis, dass von den 58 Innovationen nur 5 eventuell von Patenten betroffen sein könnte. Daneben merkt er an, dass eine Software oder ein Produkt besser daran gemessen werden sollte, ob es ein relevantes Problem löst, ohne mehr Probleme zu verursachen, statt am Innovationsgehalt. Linus Torvalds, Autor des Linux-Kernels, dazu: "It's not about visionary ideas; it's about lots of good ideas which do not seem world-changing at the time, but which turn out to be great after lots of sweat and work have been applied." (siehe dazu auch den Interviewausschnitt "Steve Jobs: Good artists copy great artists steal".) Freie Software macht es Unternehmen leicht, bereits bestehende Ideen zu kombinieren, anzupassen und dadurch ein neues Produkt zu schaffen.

Was können Freie-Software-Programmierer machen? Mit Softwarepatenten haben Freie-Software-Entwickler zwei Möglichkeiten: Entweder sie ignorieren Softwarepatente oder sie programmieren und hoffen, dass nichts passiert. Debian -- eine große Freie-Software-Distribution -- bittet zum Beispiel alle Mitwirkenden darum, keine Nachrichten zu möglichen Patentverletzungen auf Mailinglisten oder sonstwie öffentlich anzusprechen. Andere Unternehmen verbieten ihren Angestellten, Patentschriften zu lesen. Wer nicht mit dem Gefühl leben kann, wahrscheinlich laufend Rechtsverstöße zu begehen, dem bleibt nur die Möglichkeit mit dem Programmieren aufzuhören und -- wenn man es genau nimmt - keine Software mehr zu verwenden.